WARUM SCHNÜFFELN KEINE BELOHNUNG IST – Ein Plädoyer für den natürlichen Umgang mit Hunden
von Simone Mangold
In der modernen Hundewelt dreht sich vieles um Training, Leistung, Konditionierung und Belohnungssysteme. Selbst in sogenannten „positiven“ Trainingsansätzen werden Hunde ständig dazu angeleitet, sich eine Belohnung zu „verdienen“. Dabei werden nicht nur Leckerlis als Verstärker eingesetzt, sondern auch Dinge, die eigentlich zur Natur des Hundes gehören – etwa das Schnüffeln. Doch ist es ethisch vertretbar, ein natürliches Bedürfnis in ein Mittel zur Verhaltenssteuerung umzuwandeln?
Schnüffeln – quasi ein Grundbedürfnis, keine Währung
Schnüffeln ist für Hunde nicht einfach nur eine Beschäftigung oder eine nette Abwechslung. Es ist ein essenzieller Bestandteil ihres Seins. Über die Nase nehmen sie ihre Umwelt wahr, verarbeiten Informationen und kommunizieren mit ihrer Umgebung. Es ist, als würde man einem Menschen den Zugang zu Sprache oder sozialem Austausch einschränken und ihm diesen nur unter bestimmten Bedingungen erlauben.
Wenn das Schnüffeln als Belohnung eingesetzt wird, bedeutet das, dass es kontrolliert wird. Der Hund darf es erst, wenn er zuvor eine „Leistung“ erbracht hat. Das steht im Widerspruch zu einer Beziehung, die auf gegenseitigem Verständnis und natürlichem Zusammenleben basiert.
Die Gefahr der Konditionierung
Das Hauptproblem liegt in der Konditionierung. Wenn ein Hund lernt, dass er nur dann schnüffeln darf, wenn er sich auf eine bestimmte Weise verhält, beginnt er, dieses natürliche Bedürfnis mit Gehorsam zu verknüpfen. Er wird nicht mehr einfach seiner ureigenen Motivation folgen, sondern auf eine Erlaubnis warten oder sich antrainierte Verhaltensweisen abrufen, um das Schnüffeln „zu verdienen“.
Doch wollen wir wirklich einen Hund, der für seine (Grund-)Bedürfnisse erst eine Leistung erbringen muss? Ist es das, was wir unter einer respektvollen Mensch-Hund-Beziehung verstehen?
Jenseits des Trainings – ein Leben in natürlicher Koexistenz
Hunde passen sich uns an, sie leben mit uns, ohne dass wir sie ständig in ein System aus Kontrolle und Belohnung pressen müssen. Sie sind intelligente, soziale Wesen, die sehr wohl in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen und sich an ihre Umwelt anzupassen. Wir müssen ihnen nicht beibringen, was gut für sie ist – sie wissen es selbst.
Natürlich bedeutet das nicht, dass ein Hund tun und lassen kann, was er will, ohne dass der Mensch eingreift. Es geht darum, eine Balance zu finden, in der der Hund nicht wie ein Schüler, oder noch schlimmer wie ein Untergebener, behandelt wird, sondern wie ein eigenständiges Individuum mit seinen Bedürfnissen und seiner Persönlichkeit.
Fazit: Bedürfnisse sind keine Belohnung
Schnüffeln ist kein Privileg, das sich ein Hund erarbeiten muss – es ist ein Recht. Ein Bedürfnis, das erfüllt werden sollte, wann immer es die Situation erlaubt, ohne es als Werkzeug zur Steuerung zu missbrauchen. Wer seinen Hund als eigenständiges Wesen respektiert, wird ihn nicht über Konditionierung formen, sondern ihn in seinem Sein annehmen.
Ein harmonisches Zusammenleben mit Hunden braucht kein ständiges Training, keine Belohnungssysteme und keine Kontrolle über ihre Grundbedürfnisse. Es braucht vor allem eines: Vertrauen und Verständnis.